Ohne Slip ... da war erst recht was los.
Die Lionerregatta auf dem Silbersee

Liebe Leserinnen und Leser,
die Behauptung in der Überschrift könnt Ihr wörtlich nehmen, denn die Lionerregatta 2019 wurde zu einem Erlebniswochenende und es war schon spannend, bevor es mit dem Segeln überhaupt losging. Ein ungewöhnlich heftiger Starkregen einige Wochen zuvor hatte die alte Slipbahn unterspült, so daß der befestigte Teil der Bahn in der Mitte durchbrach, sich einen halben Meter absenkte und die Anlage dadurch unbrauchbar wurde.
Zunächst diskutierten wir verschiedene Möglichkeiten, an anderer Stelle unsere Boote zu Wasser zu bringen, denn es kam noch erschwerend hinzu, daß sich der Wasserspiegel auf sehr niedrigem Niveau befand. Hier hatte wohl das Kieswerk Willersinn mit seinen starken Pumpen etwas nachgeholfen. Mehr Kommentar zu der verfahrenen Situation hier vor Ort ohne Kenntnis der Fakten verbietet sich aus meiner Sicht. Ich kann nur hoffen, daß die hier ansässigen Vereine zusammen mit den Gebrüdern Willersinn, die große Dinge mit dem kleinen, aber feinen Silbersee vorhaben, zu einer einvernehmlichen Lösung finden. Ein schöner See ist erst dann für Touristen attraktiv, wenn weiße und bunte Segel darüber ziehen. Lautlos, mit der Energie des Windes, ganz im Sinne der Zeit.
Geht nicht, gibt’s nicht für engagierte Segler und so hatte einer die Idee, an der alten Surferbasis das Slippen der Boote zu versuchen. Karl-Wilhelm hängte sich sogleich das Startboot, eine alte Fam, die etwa 100kg schwerer als ein 517er ist, hinter sein Auto und mit vereinten Kräften gelang es, die Fam zu Wasser zubringen. Das war das Signal für uns und einige Zeit später lagen alle zugereisten Boote am Surferstrand. Die Regatta war gerettet.
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Wo ein Wille ist, ist ein Slip ... also eine Slipanlage. Hier zeigen sich die Vorzüge eines Kimmkielers mit einholbarem Schwert. Ob diese Aktion auch gelingen würde, wenn die Böschung nass ist, bleibt allerdings fraglich.
Also, wo war das Problem?
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Die darüberliegende Wiese war zum Auf- und Abriggen der
Boote ideal und hier hätte man auch campieren können.
Mit vereinten Kräften bekamen wir am Sonntag die Boote wieder
aus dem Wasser. Das Ausrichten der Boote auf dem Trailer
übernahm Peter Mehs mit seinem breiten Kreuz und der
auffallenden Bauchmuskulatur.
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Die schöne Collage, die KW Linz angefertigt hat, ist der beste Beweis dafür, welch ein schönes Segelrevier der Silbersee ist und hoffentlich bleiben wird. Das glatte Wasser auf den Fotos täuscht über die Bedingungen hinweg, wie man bei genauem Hinsehen auf dem oberen Bild erkennen kann.
Nach der Steuermannsbesprechung, die von Frank Knoch und KW Linz abgehalten wurde, ging es in die Boote und wie bestellt kam auch der Wind. Mit 3 bis 4 Bft wehte er aus nordwestlicher Richtung mit Drehern nach West und ungewöhnlich heftigen Böen. Es gab reichlich Bruch bei den 517er und den Ausgleichern. Die haute es gleich reihenweise um und mindestens einer von ihnen lag immer durchgekentert im Bach. Auch für meinen Clubkameraden Stephan war die Regatta vorerst zu Ende, denn ihm brach die Pinne an seiner Bolero. Schon gleich beim ersten Lauf war Segeln vom Feinsten angesagt und es machte richtig Spaß. Der erste Lauf ging über zwei Runden und ich konnte ihn mit meiner neuen Vorschoterin Birgit auf dem dritten Platz beenden. Mit mir und mit Marilyn kam sie auf Anhieb gut zurecht und das schlug sich dann auch im Ergebnis nieder.
Probleme hatte ich nur mit der schwachen Tröte von Wettfahrtleiter Hansjürgen Kalweit. Entweder hörte ich sie überhaupt nicht oder war mir über das Signal unsicher. Leider fehlte auch die Klassenflagge auf dem Startschiff. Zwei der vier Starts gingen so bei mir daneben, sonst wäre vielleicht noch eine bessere Platzierung möglich gewesen.
Nach dem ersten Zieldurchgang blieben wir alle draußen, denn der Wind, und damit auch der Spaßfaktor, hatten noch zugenommen. Kalweit verkürzte die beiden folgenden Läufe auf jeweils eine Runde und die hatten wir bei dem Wind schnell durch. Alle Läufe dieser Regatta wären auch für Zuschauer interessant gewesen, denn es fanden viele Positionskämpfe in einem überschaubaren Rahmen statt. Und Kenterungen. Einmal hätte es auch uns fast erwischt, als auf Halbwindkurs eine mächtige Böe in die Segel schlug und uns fast umwarf. Hätte ich nicht den Traveller aus Bosener Erfahrung heraus ganz in Lee gefahren oder wäre einer von uns von der hohen Kante gerutscht, hätten wir uns auf den Rumpf setzen und am Schwert festhalten können. Birgit quittierte diese Situation mit einem Lachen.
Die Aufnahmeprüfung in die KV 517 hat sie mit Bravour bestanden.
Zehn Boote waren gestartet, drei Läufe gesegelt und die Ranglistenwertung damit im Kasten. Da konnten wir jetzt frohen Mutes zum Seglerhock ins WSV-Clubhaus fahren und den Tag mit kühlen Getränken, vollen Tellern, viel Gespräch und vollem Mund ausklingen lassen. Die Stimmung war bestens und das Erlebte bot an diesem Abend viel Gesprächsstoff.
Den Abschluss des Abends holte ich mir auf dem Gondelfest, das ganz in der Nähe des Clubhauses stattfand. Nach dem vielen alkoholfreien Bier hatte ich auf einmal die unbändige Lust auf ein kühles Eis. Stephan Hammer wollte sowieso noch einmal an die frische Luft und so gingen wir zu der Festwiese und suchten und fanden den Eispalast. Auf die nette Dame hinter der Theke musste ich wohl einen unterernährten Eindruck gemacht haben, denn an der Menge der leckeren Kugeln zu einem fairen Preis hatte ich eine Zeitlang zu lutschen. Es gibt Tage, da stimmt einfach alles, dachte ich auf dem Nachhauseweg.
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Nach dem Frühstück ging es wieder zurück an den See, denn einen Lauf wollten wir noch segeln, um bei vier Läufen insgesamt den Schlechtesten streichen zu können. Der Wind spielte auch diesmal wieder mit und servierte uns zum Abschluss noch heftigere Böen als am Vortag. Das hinderte Peter und Reinhard nicht daran, den Spi zu setzen und so dem Feld uneinholbar davon zu rauschen. Der 517er ist ein reiner Verdränger, aber auf dem Vorwindschlag hatte die 'Cornichon' so viel Wind in den Tüchern, daß sie sich aus ihrem Wellensystem hob und begann, wie eine Jolle zu gleiten. Mit einem 517er war das Segeln im Grenzbereich.
Auch Stephan Hammer mit seiner Bolero konnte im letzten Lauf wieder mitsegeln und dafür möchte er sich auf diesem Weg bei Reinhard Harig bedanken, der mal wieder alles dabei hatte, was bei einer Regatta kaputt gehen kann. Eine Ersatzpinne? Kein Problem. Und weil einer in der Truppe dabei ist, der nie ohne Bohrmaschine zur Regatta fährt, war das Ding schnell angepasst und Bolero wieder steuerbar.
Die abschließende Siegerehrung im Clubhaus des WSV machte das schöne Segelwochenende komplett. Es standen einige laufende Meter Kuchen auf der Theke und vom Seglerhock war auch noch Essen übrig. Ja, und der Preis für jeden Teilnehmer, der Ring Lioner, war kein Ring, sondern eine Familienpackung. In einem Single-Haushalt bedeutete das eine Woche lang Lioner in allen Variationen. Das geht, man muss sich nur was einfallen lassen.
Und die Dornfelder-Regatta im September werden wir auch noch hinbekommen!
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Hallo,
jetzt darf ich mich auch mal zu Worte melden. Ist Euch aufgefallen, daß mein Skipper mich jetzt schon zum zweiten Mal auf den vierten Rang gesegelt hat? Wenn der alte Schnarcher nicht zwei Starts glatt verpennt hätte, wäre vielleicht sogar ein dritter Platz möglich gewesen. Bei den kommenden Starts will er besser hinhören, hinschauen und dann seine Regattauhr richtig bedienen.
Wisst Ihr, wer auf einem Regattaboot, das da seine Dreiecke und Schleifen um die Tonnen fährt, Schuld hat, wenn mal ein Manöver schief geht? Der/die Vorschoter/in, wer sonst. Niemals der Skipper. Doch in dieser Saison läuft es anders bei Peter und bei mir.
Schon für die Frühjahrsregatta hatte ihm Heinz Dochnahl einen guten Vorschoter, den Christoph Holder, vermittelt und prompt gab es Anschluss an die Spitze des Feldes. Leider ist der Christoph beruflich an vielen Wochenenden tätig und so begab sich mein Skipper wieder auf die Suche. Es sollte so sein, daß eine Seglerin des KCF bei Heinz per Email nach einer Mitsegelgelegenheit bei Regatten anfragte. Das gibt es also doch noch! Heinz leitete die Mail an Peter weiter. Der griff sogleich zum Telefon und wurde mit Birgit, die seine neue Vorschoterin werden sollte, schnell einig. Ich kam auch sehr schnell klar mit ihr und spürte sofort, daß sie eine echte Seglerin ist, die keine Angst hat vor Wind und Wellen und die ordentlich zupacken kann. Die Beiden segelten mit mir eine gute Regatta und hatten auch Glück mit dem Wind. Noch während der Siegerehrung heuerte Birgit bei Peter an und sagte ihm die Teilnahme an den kommenden Regatten zu.
Er bekam leuchtende Augen, als sie mit ihm für die Zeit zwischen den Regatten Trainingstermine in Bosen vereinbarte. Welch eine Freude für mich, denn dann werde ich endlich mal unter Spinnaker über den See gescheucht, ohne die Seeaufsicht fürchten zu müssen. Mein Skipper mit seiner fatalen Neigung zum Risiko segelte in der Vergangenheit öfter mal bei viel Wind und vielen Booten auf dem Wasser Einhand unter Spinnaker, bei ausgerollter Genua und fast Null Sicht. Obwohl es nie regnete, sah ich manchmal viele Scheibenwischer auf den anderen Booten. Die Seeaufsicht kam auch mal längsseits und erkundigte sich bei Peter, ob noch alles klar sei unter seiner Mütze.
Ich wünsche den Beiden das passende Wetter für ihr Training und Mast- und Schotbruch.
Marilyn